COP29 rückt Aserbaidschan ins Zentrum der globalen Klimapolitik
17.12.2024
Durch die Ausrichtung des Klimagipfels konnte Aserbaidschan sein internationales Profil schärfen, obwohl das Land wegen seines mangelnden Engagements im Klimaschutz und Menschenrechtsverletzungen in der Kritik steht.
Die 29. Konferenz der Vereinten Nationen über den Klimawandel (COP29) ging am 24. November in Aserbaidschan zu Ende, nachdem eine Einigung über die Klimafinanzierung knapp verfehlt wurde. Das Ergebnis der Konferenz ist gemischt: Sie bot Aserbaidschan zwar eine internationale Plattform, warf aber auch ein Schlaglicht auf die fragwürdige politische Bilanz des Landes, und Teilnehmende aus Entwicklungsländern kritisierten einige der erzielten Vereinbarungen.
Während bei der Zusage, sich von fossilen Brennstoffen zu verabschieden, keine Fortschritte erzielt wurden, erreichten die Teilnehmer einen hart erkämpften Kompromiss zum Klimafinanzierungsziel („New Collective Quantified Goal on Climate Finance“). Die reichen Industrienationen verpflichteten sich, bis 2035 jährlich 300 Milliarden US-Dollar zur Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern bereitzustellen. Dieser Betrag ist zwar das Dreifache des bisherigen Ziels, wurde aber von den Entwicklungsländern, die ein jährliches Minimum von einer Billion US-Dollar gefordert hatten, als unzureichend kritisiert. Auf der COP29 gelang es auch, Regeln für den internationalen Kohlenstoffmarkt gemäß Artikel 6 des Pariser Abkommens zu verabschieden. Dies war ein wichtiger Meilenstein, der einen von den Vereinten Nationen unterstützten grenzüberschreitenden Handel mit Emissionsgutschriften aus Projekten zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen ermöglichen soll.
Abgesehen von der globalen Klimaagenda bot der Gipfel Aserbaidschan die Gelegenheit, sein internationales Ansehen zu stärken, sein grünes Profil zu zeigen (trotz seiner Abhängigkeit von Kohlenwasserstoffen) und eine Reihe von Abkommen zu unterzeichnen. Gleichzeitig löste die Wahl des an fossilen Energiereserven reichen, autoritären Landes als Gastgeber der COP29 erhebliche Kritik aus.
Kurz vor der Veranstaltung wurde Elnur Soltanov, der Leiter des aserbaidschanischen COP29-Teams, dabei gefilmt, wie er mit einem verdeckten Ermittler, der sich als Investor ausgab, über Geschäfte mit fossilen Brennstoffen diskutierte. Außerdem waren Lobbyisten für fossile Brennstoffe in Baku stark vertreten (1.773 Personen erhielten Zutritt), und der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew erklärte in seiner Eröffnungsrede, Öl und Gas seien ein „Geschenk Gottes“.
Der aserbaidschanische Öl- und Gassektor trägt zu über 90 Prozent der Exporteinnahmen des Landes sowie zur Hälfte des BIP und zu 60 Prozent der Haushaltseinnahmen bei. Aserbaidschan ist weit davon entfernt, einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu planen, sondern hat seinen Kohlenwasserstoffreichtum durch die Steigerung der Gasexporte in die EU zu Geld gemacht und plant derzeit, seine Gasproduktion bis 2030 um ein Drittel zu steigern. Im Gegensatz dazu bleiben die Klimaziele des Landes im Rahmen des Pariser Abkommens wenig ehrgeizig: Vorgesehen ist nur eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis 2050, kein Netto-Null-Ziel.
Unter Hinweis auf die Proteste im Zusammenhang mit der Rolle Aserbaidschans als Gastgeber der Klimakonferenz nutzte Alijew seine Eröffnungsrede auch, um die Heuchelei sowohl der Vereinigten Staaten (des weltweit größten Öl- und Gasproduzenten) als auch der EU zu kritisieren, die die Energiewende hochleben lässt und gleichzeitig in aller Eile neue Erdgasverträge aushandelt, während die Versorgungssicherheit durch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine bedroht ist.
Aserbaidschan hat ehrgeizige Pläne für den Bau einiger Anlagen für erneuerbare Energien, die zu den größten in der Region zählen, einschließlich – erstmalig in der Region - Offshore-Windkraftanlagen. Die zurückeroberten Gebiete von Berg-Karabach und die angrenzenden Bezirke sollen bis 2050 zu einer „Netto-Null-Emissionszone" werden, die mit Wasserkraft, Wind- und Sonnenenergie betrieben wird. Aserbaidschan plant außerdem, erneuerbaren Strom und möglicherweise grünen Wasserstoff über eine noch zu errichtende Infrastruktur nach Europa zu exportieren. Auf der COP29 führte das Land eine Reihe von Initiativen an, die sich eng an dieser Vision orientieren, darunter der Ausbau von Energienetzen und -speichern, die Steigerung der Produktion von sauberem Wasserstoff und die Betonung der Bedeutung „grüner Energiekorridore“.
Dieser Fokus auf den Transport von ökologisch erzeugter Energie ist besonders bedeutsam. Aserbaidschan hat sich als wichtiger Akteur in zukünftigen grünen Energiekorridoren positioniert, die Zentralasien und den Südkaukasus mit Europa verbinden sollen. Es hat zudem sein politisches Engagement in den Nachbarländern verstärkt, um dieses Ziel zu erreichen. Am 13. November unterzeichneten die Präsidenten von Aserbaidschan, Kasachstan und Usbekistan ein strategisches Partnerschaftsabkommen über die Integration ihrer Stromnetze zur Entwicklung und Übertragung grüner Energie.
In ähnlicher Weise hat sich Aserbaidschan in der Schwarzmeerregion mit Georgien, Rumänien und Ungarn zusammengetan, um den Bau eines Unterseekabels zur Verbindung des Südkaukasus mit Südosteuropa zu fördern. Das so genannte Schwarzmeer-Unterseekabelprojekt wurde von der EU gelobt und erhielt von der Weltbank ein Darlehen in Höhe von 35 Millionen Dollar für vorbereitende Arbeiten. Die Machbarkeitsstudie für das Projekt wurde in Baku während der COP29 vorgestellt.
Auch die regionalen Partner Aserbaidschans konnten ihre Dekarbonisierungsambitionen demonstrieren. Kasachstan zum Beispiel - wo sich eine Mehrheit in einem Referendum im Oktober 2024 für den Bau von Kernkraftwerken aussprach – schloss sich dreißig Nationen an, die eine Erklärung zur Verdreifachung der Kernenergiekapazität bis 2050 unterzeichneten.
Auf dem Klimagipfel wurde die rasch wachsende Präsenz großer Unternehmen aus der Golfregion im Bereich der sauberen Energie in ganz Zentralasien und im Südkaukasus deutlich. In Aserbaidschan weihte Masdar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten im Oktober 2023 einen 230-Megawatt-Solarpark in Garadagh in der Nähe von Baku ein - den größten in der kaspischen Region -, während ACWA Power aus Saudi-Arabien einen 230-Megawatt-Windpark in Khizi-Absheron errichtet. Auf der COP29 unterzeichneten Masdar und ACWA eine Absichtserklärung mit Aserbaidschan zur Entwicklung von bis zu 3,5 Gigawatt Offshore-Windenergie im Kaspischen Meer. ACWA Power unterzeichnete außerdem eine Vereinbarung mit Usbekistan über die Entwicklung groß angelegter Batteriespeichersysteme, während China eine Partnerschaft mit Kasachstan in Höhe von voraussichtlich zwei Milliarden US-Dollar zur Zusammenarbeit bei Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien und der Emissionsminderung einging.
Die COP29 hat dazu beigetragen, Aserbaidschans Rolle im globalen Klimaschutz zu stärken. Sie bot dem Land eine Plattform für die Unterzeichnung wichtiger politischer und geschäftlicher Vereinbarungen und hob gleichzeitig die Zusammenarbeit mit seinen Nachbarn im Bereich saubere Energie hervor. Die Erzielung eines schwierigen Kompromisses zur Klimafinanzierung und zu den Regeln für die internationalen Kohlenstoffmärkte wurde insgesamt als Erfolg gewertet, wobei Zentralasien und die Länder des Südkaukasus von neuen Möglichkeiten profitieren werden.
Gleichzeitig wurde auf dem Gipfel die anhaltende Bindung Aserbaidschans an fossile Brennstoffe und seine schlechte Bilanz bei den Menschenrechten deutlich. Dies wiederum hat die Diskussion darüber neu entfacht, ob die COP reformiert werden sollte, um den klimatischen Herausforderungen besser begegnen zu können, unter anderem durch strengere Auswahlkriterien für Gastgeberländer.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch in „Carnegie Politika“, am 9. Dezember 2024.